Ich bin tief betroffen über den plötzlichen Tod von Franz Xaver Ohnesorg. Wir kannten uns seit mehr als 40 Jahren. Als ich ihm 1982 in München zum ersten Mal begegnete, war ich sofort beeindruckt von seiner Begeisterung und Leidenschaft für die Musik. Schon damals als relativ junger Mann verfügte er über ein ungeheures Wissen, und es war ihm anzumerken, dass er hoch hinaus wollte. Er hat dann in Köln wunderbare, einmalige Arbeit geleistet. Bevor er dorthin kam, gab es in der Stadt keinen bedeutenden Konzertsaal – er hat die Philharmonie quasi aus dem Nichts aufgebaut und aus Köln wirklich eine Musikmetropole gemacht. Ich hatte das Glück, dort fast jedes Jahr aufzutreten und erinnere mich an zahlreiche Konzerte, als Pianist und auch mit dem Chicago Symphony Orchestra, vor allem in den 90er Jahren, als das Orchester dort eine Residenz hatte. Auch an seinen späteren Wirkungsstätten an der Carnegie Hall in New York, bei den Berliner Philharmonikern und vor allem beim Klavier-Festival Ruhr, wo ich über die Jahre immer wieder gern zu Gast war, habe ich unsere vertrauensvolle und inspirierende Zusammenarbeit immer sehr geschätzt. Viele Gespräche mit ihm sind mir bis heute lebhaft in Erinnerung geblieben. Xaver hat immer versucht, es uns Künstlern so leicht wie möglich zu machen. Besonders rührend war es, ihn zusammen mit Sergiu Celibidache zu erleben: das war eine besondere Beziehung, in der er echte menschliche Größe gezeigt hat. Als Stiftungsrat der Daniel Barenboim Stiftung von Beginn an war er ein weitsichtiger und selbstloser Freund und Ratgeber des West-Eastern Divan Orchestra und bei der Gründung der Barenboim-Said Akademie. Sein Tod bedeutet für die Musikwelt und für mich persönlich einen schweren Verlust.
Daniel Barenboim
15. November 2023